Meinung

US-Machtdemonstration oder (Ohn-)Macht?

Es war eine beispiellose Provokation: In den Abendstunden des 8. Januar 2024 flogen zwei US-Kampfjets im Tiefflug über Banja Luka, das gerade den Gründungsfeiertag der serbischen Republik feierte. Marinko Učur über die Hintergründe und die Auswirkungen des Vorfalls.
US-Machtdemonstration oder (Ohn-)Macht?Quelle: Gettyimages.ru © Miomir Jakovljevic/Anadolu

Von Marinko Učur

Das unheilvolle Motorengeräusch und der Plan der beiden US-Piloten des F-16-Kampfjets, die in den Abendstunden des 8. Januar 2024 im Tiefflug und mit ohrenbetäubendem Lärm beabsichtigten, die Geburtstagsfeier der Republika Srpska in der Hauptstadt Banja Luka zu verderben, ist definitiv gescheitert. Weder die Bürger, die anlässlich des 9. Januar 1992, des Tages der Gründung der Serbischen Republik, an der feierlichen Zeremonie teilnahmen, hatten Angst, noch zeigte die US-Gewaltdemonstration Wirkung.

Die Bürger, die den NATO-Stiefel während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien, aber auch später bei der illegalen Bombardierung dieses Landes im Jahr 1999 zu spüren bekommen hatten, kann, was die USA und den Westen angeht, nichts mehr überraschen. Die Feiernden hatten in Gesellschaft des russischen Botschafters Igor Kalabuchow und anderer Würdenträger keine Angst, sondern setzten die Feier dieses Datums fort.

Es ist der Tag, an dem die Republika Srpska als Ausdruck des Wunsches der Serben, aber auch anderer Völker ausgerufen worden war, um bei der bereits begonnenen Auflösung des gemeinsamen Staates Jugoslawien nicht schutzlos zu bleiben. Obwohl die Republika Srpska zwei Monate vor den bewaffneten Konflikten zwischen Serben, Kroaten und Muslimen und nach einem vierjährigen Bürgerkrieg ausgerufen und durch den Friedensvertrag von Dayton 1995 bestätigt worden war, wollten viele sie nicht als Tatsache akzeptieren, sondern erkennen sie seit mehr als drei Jahrzehnten nicht an. Dies führt zu Frustration bei der dortigen Bevölkerung, die hartnäckig an ihrer Absicht festhält, ihre Republik und ihre Autonomie innerhalb des international anerkannten Staates Bosnien und Herzegowina zu feiern.

Die Angelegenheit wurde durch das Verfassungsgericht dieses Landes noch komplizierter gemacht, das von zwei Richtern als Vertretern der konstitutiven Völker und von drei ausländischen Richtern vertreten wird, deren Stimmen in den meisten Fällen dazu genutzt wurden, die inländischen Richter zu überstimmen. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ebenfalls Ausländer, ernennt Ausländer zu diesem Gericht.

Das Verfassungsgericht, bei dem Ausländer überstimmend gegen die dort lebenden Menschen entscheiden, ist ein weltweit einzigartiges Beispiel und für viele inakzeptabel, und bisher scheiterten sämtliche Versuche, das Verfassungsgericht zu legitimieren und nur mit inländischen Richtern zu besetzen. Und gerade dieses Gericht erließ ein nach Meinung vieler sinnloses Urteil und erklärte den Tag der Republika Srpska, den 9. Januar, für "verfassungswidrig", obwohl die Republika Srpska zwei Monate vor den bewaffneten Konflikten in der ehemaligen jugoslawischen Republik gegründet worden war. Alle Appelle, dass ein solches Urteil bedeutungslos sei und negative Auswirkungen auf das Zusammenleben der drei ethnischen Gemeinschaften in Bosnien und Herzegowina habe, blieben erfolglos.

Nichts half, und in der Regel stellten sich die westlichen Machtzentren auf die Seite des Verfassungsgerichts und forderten die Republika Srpska auf, dessen Entscheidungen einzuhalten und den Tag ihrer Gründung nicht mehr zu feiern. Solche Forderungen entsprechen meist den Bestrebungen der Bosniaken, die um jeden Preis einen Einheitsstaat schaffen wollen. Serben, aber auch Kroaten erkennen darin eine Gefahr für ihre Identität und lehnen das Einheitskonzept energisch ab.

Aus diesem Grund ist die Republika Srpska den Botschaftern der meisten westlichen Länder, die diplomatische Vertretungen in Sarajevo haben und die nicht selten Drohungen nutzen, um die serbische Regierung zur "Vernunft zu bringen", ein "Dorn im Auge". So drohte der US-Botschafter Michael Murphy der Republika Srpska und ihren Oberhäuptern offen:

"Ich werde nicht spekulieren, was die USA in Zukunft als Antwort auf die anhaltenden Aktivitäten, die gegen das Abkommen von Dayton verstoßen, tun werden. Wenn Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, glaubt, dass die USA an der Seitenlinie stehen und tatenlos zusehen werden, wie er das Land auflöst und in Konflikte treibt, liegt er falsch."

Andererseits sind Vertreter der serbischen Republik entschlossen, den Frieden und ihre verfassungsmäßige Position zu wahren, und die diesjährigen Feierlichkeiten zum Tag der Republik sind nur ein Ausdruck dieser Bereitschaft.

Die Reaktion auf Murphys Drohungen ließ nicht lange auf sich warten. In Banja Luka wurden die Äußerungen anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der Republik als "eine weitere typische Einmischung des US-Botschafters in Bosnien und Herzegowina Michael Murphy in die Angelegenheiten der Republika Srpska, wo er nicht willkommen ist", aufgefasst.

"Den 4. Juli, der ein US-Feiertag ist, mag ich auch nicht. Was kann ich also tun? Sie haben sich so entschieden. Ist es die Aufgabe eines Botschafters in irgendeinem Land, sich offen in die Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen?",

fragte der Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik empört, der anlässlich des Feiertags dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán eine hohe Staatsauszeichnung verlieh.

Im vergangenen Jahr war diese Auszeichnung bei derselben Gelegenheit dem Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin verliehen worden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Handlungen die USA zusätzlich frustrierten, sodass sie versuchten, die Feier dieses wichtigsten Feiertags zu entweihen, indem sie Kampfflieger fliegen ließen und in der Luft über Banja Luka auftankten, was von der Webseite Flightradar24.com aufgezeichnet wurde.

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