Russland

Die Raiffeisen Bank und das Russlandgeschäft – von der Genossenschaft zum Sanktionsproblem

Die Bankenkrise 2023 hat zu den Iden des März im Silicon Valley begonnen, beutelt seither den Schweizer Bankenplatz, und könnte über den Fall Raiffeisen noch weitere Probleme lostreten.
Die Raiffeisen Bank und das Russlandgeschäft – von der Genossenschaft zum SanktionsproblemQuelle: www.globallookpress.com © Maksim Konstantinov

Von Karin Kneissl

In Russland ist die aus Österreich stammende Bank omnipräsent. Als Russland infolge von Misswirtschaft, dem Verfall der Rohstoffpreise und einer massiven Rubelkrise im Sommer 1998 knapp am Staatsbankrott vorbeischlitterte, entschied das Management der Raiffeisen Bank, die ihre internationalen Fühler in den 1990er Jahren gerade auszustrecken begann, zu bleiben. Diese Entscheidung hatte man in Russland nicht vergessen. Die Bank wurde populär. 

Das Giebelkreuz in Russland

Ihren Anfang nahm die Bank als Genossenschaftsverband für landwirtschaftliche Kredite. Das Giebelkreuz als Logo der Bank erinnert an die Wurzeln, die politisch mehr ins Gewicht fallen, als dies für das eigentliche Bankengeschäft gilt. Die Raiffeisen pflegt gute Kontakte zur ÖVP, der Österreichischen Volkspartei, die im ländlichen Raum immer noch gewisse Wahlerfolge erzielt. Im Zuge der Ostöffnung, der Finanzmarktreformen zu Beginn der 1990er Jahre, internationalisierte die Bank ihr Geschäft zunehmend.

Die österreichischen Banken und Versicherungen, die vor der Ostöffnung betriebswirtschaftliche Zwerge waren, profitierten relativ gerechnet noch mehr als ihre erfolgreichen Mitbewerber aus Deutschland und Italien. Erst die Fremdwährungskreditkrise, welche die österreichischen Banken oftmals mit sehr aggressiven Werbekampagnen Kreditnehmern in Mitteleuropa zu völlig unsicheren Bedingungen verkauft hatten, und der Skandal rund um die Hypo-Alpen-Adria Bank versetzten den österreichischen Banken und damit den Steuerzahlern, die viele Ausfälle kompensieren mussten, einen heftigen Dämpfer.

Die Kundenbetreuung der Raiffeisen in Österreich fiel spätestens ab dem Jahr 2009 der Bankenkrise und dem Online-Banking zum Opfer. Die Filialen, die an jedem Kreisverkehr in der ÖVP-Hochburg Niederösterreich wie ein Wahrzeichen standen, verschwanden. Russland wurde wie Mittel- und Südosteuropa zum wesentlichen Gewinnbringer für die Zentrale in Wien. Die Kreditvergabe wurde teils auch jenseits von Österreich großzügiger gehandhabt.

Die Raiffeisen Gruppe umfasst föderal organisiert neun Landesbanken, von denen einige noch einflussreicher sind als die Zentrale in Wien. Hinzu kommt die RBI – Raiffeisen International. Die Unternehmensstruktur wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert. Doch die RBI ist die Drehscheibe für internationale Geschäfte. Laut Eigendefinition auf deren Webseite:

"In Mittel- und Osteuropa verfügt die RBI über ein engmaschiges Netzwerk an Tochterbanken, Leasinggesellschaften (...) Rund 61.300 Mitarbeiter betreuen in dieser Region mehr als 14,6 Millionen Kunden in über 3.100 Geschäftsstellen. Die RBI ist als einzige österreichische Bank nicht nur in den Weltfinanzzentren, sondern mit Filialen und Repräsentanzen auch in Asien, dem weiteren geografischen Schwerpunktmarkt des Konzerns, präsent."

Die Raffeisen Bank ist die größte ausländische Bank in der Ukraine und Marktführer mit einem Anteil von mehr als sieben Prozent. Nach Einschätzung von Analysten trägt die RBI das größte Russlandrisiko aller europäischen Banken, wie das Handelsblatt im Frühjahr 2022 angesichts der Russland-Sanktionen und deren Folgen für Banken mehrfach berichtet hat. Das gesamte Engagement in Russland umfasst 22,85 Milliarden Euro. Das Kreditvolumen beläuft sich auf über elf Milliarden Euro. Für die RBI ist Russland der mit Abstand wichtigste Einzelmarkt, der zuletzt einen Nettogewinn von 474 Millionen Euro abgeliefert hat. Das entspricht rund 30 Prozent des unkonsolidierten Nettogewinns der Gruppe. Johann Strobl, Vorstandschef der RBI, versuchte seither, die Investoren zu beruhigen:

"Unsere russische Tochterbank verfügt über eine sehr starke Liquiditätsausstattung und verzeichnet Zuflüsse. Die Kapitalposition ist ebenfalls stark."

Langes Zögern unter Druck

Seit Februar 2022 heißt es sowohl seitens der Leitung der Bank als auch der österreichischen Bundesregierung, dass alles sehr komplex sei und man alle Optionen prüfe. Am letzten Donnerstag wurde dann auf der Hauptversammlung beschlossen, dass die RBI sich nun aus Russland zurückziehen wird:

"Wir haben uns dazu entschieden, dass wir mögliche Transaktionen, die zu einem Verkauf oder einer Abspaltung der Raiffeisenbank Russland und ihrer Entkonsolidierung aus dem RBI-Konzern führen, in voller Übereinstimmung mit den lokalen und internationalen Gesetzen und Vorschriften und in Absprache mit den jeweils zuständigen Behörden weiterzuverfolgen", teilte Strobl mit. Während man diese möglichen Transaktionen weiterverfolge, werde man die Geschäftsaktivitäten in Russland weiter reduzieren, kündigte er an.

Einen Zeitplan für diese Optionen nannte Strobl zwar nicht. Eine Abspaltung würde aber zumindest einige Monate dauern. Ein Verkauf könnte schneller gehen, sofern es einen Käufer gibt. In beiden Fällen bräuchte die RBI eine Reihe behördlicher Genehmigungen. 

Die Europäische Zentralbank, die oberste Aufsichtsbehörde für Kreditinstitute im Euroraum, hatte signalisiert, dass sie eine schnellere Reduzierung der Russland-Risiken der Unternehmen wünscht.

"Die Ausstiegsstrategie einiger Bankengruppen, die noch in Russland präsent sind, hat bisher nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht", sagte letzte Woche Andrea Enria, der die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank leitet. Er räumte ein, dass es für die Banken schwierig geworden sei, dem Beispiel der Société Générale zu folgen und sich vollständig zurückzuziehen, da die russische Haltung gegenüber dem Verkauf lokaler Einheiten durch die Banken nun "etwas feindseliger" sei.

Nach eigenen Schätzungen wickelt die RBI etwa ein Viertel aller Euro- und Dollar-Transaktionen in und aus dem Land ab. Diese Dienstleistungen trugen dazu bei, dass das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn vor Steuern erzielte. Die US-Behörden prüfen aktuell, ob das Unternehmen die nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine verhängten Sanktionen eingehalten hat.

Ein Rückzug aus Russland folgt nunmehr auf den Verkauf des Russland-Geschäfts der Société Générale S.A., der dem französischen Kreditgeber einen Verlust von mehr als 3 Mrd. EUR einbrachte. Damit bliebe die UniCredit SpA als letzte europäische Bank mit einer großen russischen Einheit übrig. Andere Unternehmen, wie etwa die deutsche Commerzbank AG, haben kleinere Geschäfte auf dem russischen Markt.

Die Bankenkrise 2023 hat erst begonnen 

Mitte März braut sich immer etwas zusammen, so sorgen die Iden des März seit den Tagen im antiken Rom für Zäsuren. Die "Bankenkrise 2023" nahm zu den Iden des März ihren Anfang in Kalifornien, mit der Insolvenz der Silicon Valley Bank, der Hausbank für Start-up Firmen von Nordamerika bis Israel. In den Wochen darauf ging es um weitere Regionalbanken in den USA, wobei die SVB immerhin eine wichtige Bank in der Nummer fünf unter den Volkswirtschaften war, wäre Kalifornien ein souveräner Staat. Seither kommt der Bankensektor in der nordwestlichen Hemisphäre nicht zur Ruhe.

Die Schweiz, der weltweit sicherste Bankenplatz, änderte an einem Wochenende wesentliche Gesetze, um die schwer angeschlagenen Credit Suisse durch eine Fusion mit der Schweizer UBS vor dem Absturz zu bewahren. Die größten Einbußen bei diesem sehr intransparenten Verkauf erlitten Staatsfonds und andere Investoren aus den arabischen Golfstaaten. Sie durften als Miteigentümer nicht an der Abstimmung mitwirken. Die Rechtssicherheit und das Vertrauen in den Schweizer Finanzplatz sind damit nachhaltig erschüttert, eine juristische Aufarbeitung soll in diesen Tagen starten. Die UBS als neue Eigentümerin der Credit Suisse wird wieder einmal große Rücklagen für Gerichtsprozesse bilden müssen – nicht das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit.

In dieses Bankenbeben reiht sich nun die Unsicherheit um die unmittelbare Zukunft der RBI, deren Außenstände in Russland und die möglichen Folgen für die Bankeigentümer.  Wenn ich in der Vergangenheit über dieses Thema etwas Solides lesen wollte, dann musste ich auf nicht österreichische Zeitungen zurückgreifen. Die Raiffeisen ist auch Eigentümerin bzw. Miteigentümerin wichtiger Verlage in Österreich. Und dort, wo sie nicht beteiligt ist, schaltet sie wesentliche Inserate. 

Es dreht sich zeitgleich vieles. Die Banken sind ein Spiegel, und da und dort auch ein Hebel für diese Verschiebungen. Ob das Raiffeisen Dossier nur ein Dossier bleibt, auf das man dann als eine wesentliche Abschreibung zurückblickt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

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