Meinung

Trump, DeSantis und die Transgender-Frage

Vor einer Woche hat Donald Trump seinen Wahlkampf für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei gestartet. Ein Thema, bei dem er sich von seinen Mitbewerbern umgeht, ist der Umgang mit Gendertheorien und -praktiken.
Trump, DeSantis und die Transgender-FrageQuelle: Gettyimages.ru © Mark Kerrison/In Pictures

Von Kirill Benediktow 

Donald Trump hat seinen Wahlkampf mit Besuchen in zwei Staaten, New Hampshire und South Carolina, begonnen. In beiden Staaten wurde er herzlich begrüßt (in South Carolina küsste ihm das Personal des Restaurants, in dem er einkehrte, die Hände und bat um Erlaubnis, mit ihm für seinen künftigen Sieg zu beten), aber Trump füllte noch keine Stadien wie 2016. Die liberale Presse hat sich sofort darüber gefreut und behauptet, Trump sei nicht mehr derselbe, sondern erschöpft und außer Form. Mag sein, aber die Strategie seines Wahlkampfs ist auch diesmal goldrichtig.

In dieser Phase des Rennens ist es für den ehemaligen Präsidenten, der das Weiße Haus um jeden Preis zurückgewinnen will, wichtig, sich die Unterstützung der Republikanischen Partei in den Schlüsselstaaten zu sichern. Die Zeit für Werbung und volle Stadien kommt erst, wenn die Wahlen, die noch eineinhalb Jahre entfernt sind, näherrücken.

Die angekündigte "antiwoke" Konterrevolution

Das Wichtigste hat Trump geschafft: Alle reden über ihn. Er hat ein Video aufgenommen und hochgeladen, in dem er sich über den Transgender-Wahnsinn in Amerika empört und schwört, ihn zu beenden. Innerhalb von zwei Tagen wurde das Video 1,5 Millionen Mal aufgerufen und geht in den sozialen Medien weiterhin viral.  Nach den Maßstäben der modernen USA ist Trumps Video politisch ungeheuerlich inkorrekt. Er beschuldigt die linken "Wokies" ("Wokismus" ist die Ideologie der "Erwachten", die angeblich für Gerechtigkeit stehen, in Wirklichkeit aber für die Diktatur von Minderheiten über die traditionellen Werte der Menschheit), die amerikanische Jugend mit dem "Gender-Wahn" zu infizieren und Kinder "chemisch, physisch und emotional" zu verstümmeln.

Der Hauptschuldige für Trump ist natürlich der derzeitige Präsident Joe Biden, der sich wiederholt für die "Transgender-Transition" eingesetzt hat und damit den Einsatz von Pubertätsblockern und "geschlechtsangleichenden" Operationen bei Kindern rechtfertigt.

Im April 2022 forderte Biden Eltern sogar dazu auf, den Wunsch ihrer Kinder nach einer Geschlechtsumwandlung zu unterstützen. Es ist ein "Verdienst" der zunehmend "erwachenden" Lehrer, dass amerikanische Kinder überhaupt ein derartiges Verlangen entwickelt haben. In den letzten zwei Jahren sind im amerikanischen Sekundarschulsystem neue sogenannte Geschlechtsidentitätskurse aufgekommen. Sieben von den Demokraten regierte Staaten fordern, dass LGBT-Themen auf nationaler Ebene in den Lehrplan aufgenommen werden. Die Regierung empfiehlt, dass ausnahmslos alle Schulen des Landes das Thema Geschlechtsidentität in ihre Lehrpläne aufnehmen.

In einigen besonders "fortschrittlichen" Staaten beginnt die Indoktrination von Kindern bereits im Vorschulalter. Das kalifornische Bildungsministerium fordert Erzieher in Kindergärten auf, Geschlechterstereotype zu bekämpfen, da "einige Kinder sich bereits im Kindergarten oder sogar noch früher als Transgender" identifizierten. Die Verfasser des Buches "Geschlechtervielfalt im Vorschulunterricht unterstützen" bemängeln, dass der Geschlechtsidentität von Kindern unter sechs Jahren "zu wenig Aufmerksamkeit" geschenkt wird, obwohl Erzieher "die Möglichkeit haben, alle Eltern darauf vorzubereiten, die geschlechtliche Gesundheit ihrer Kinder zu unterstützen". Kinder sollen, so die Forderung, über Geschlechtervielfalt und "Rollenmodelle verschiedener Geschlechter" unterrichtet werden.

Um dieser irrsinnigen Praxis an den Seelen der Kinder ein Ende zu setzen, beabsichtigt Trump, alle von Biden erlassenen Anordnungen zur Förderung "geschlechtsangleichender" Operationen aufzuheben. "Sleepy Joe" hat eine ganze Reihe solcher Erlasse produziert: Das Weiße Haus hat sich unter seiner Führung im Allgemeinen sehr darum bemüht, "diskriminierenden legislativen Angriffen auf die LGBT-Gemeinschaft" entgegenzuwirken. Nach Aufhebung der Erlasse Bidens will Trump eine eigene Durchführungsverordnung unterzeichnen, die die Bundesbehörden anweist, "alle Programme zur Förderung des Konzepts der Geschlechtsumwandlung in jedem Alter zu stoppen".

Den US-Kongress will er zudem auffordern, keine US-Steuergelder mehr für die Finanzierung dieser Maßnahmen zu verwenden. Trump:

"Jedes Krankenhaus oder jeder Gesundheitsdienstleister, der an der chemischen oder physischen Verstümmelung von Minderjährigen beteiligt ist, erfüllt nicht mehr die Gesundheits- und Sicherheitsstandards des Bundes für Medicaid und Medicare und wird sofort aus diesen Programmen gestrichen."

Ärzte, die minderjährige Kinder verstümmeln, sollen verklagt werden können.

Das US-Justizministerium will Trump beauftragen, gegen große Pharmaunternehmen und Kliniken für Geschlechtsumwandlungen zu ermitteln, um festzustellen, ob sie mögliche Nebenwirkungen bei Transgender-Behandlungen verbergen.

Die wichtigsten Reformen werden jedoch im Bildungsbereich angekündigt. In den Schulen soll die Verbreitung der Gendertheorie verboten werden. Das Bildungsministerium will Trump anweisen, die Landes- und Bezirksbehörden über jeden Verstoß gegen dieses Verbot zu informieren: Wenn ein "besonders fortschrittlicher" Lehrer einem Kind auch nur andeutet, dass es "im falschen Körper" sei, soll dies schwerwiegende Folgen bis hin zu seiner Entlassung und der Streichung von Bundesmitteln für die Schule haben.

Reaktionen des aufgewühlten Bienenstocks

Am unerträglichsten für die "Wokies" ist Trumps Vorschlag, die traditionelle Familie aus Mann und Frau als Fundament der Gesellschaft anzuerkennen. Trump hat angekündigt, dass er den Kongress auffordern wird, ein Gesetz zu verabschieden, dass in den USA nur zwei Geschlechter anerkannt sind: männlich und weiblich, wobei jedes Geschlecht bei der Geburt festgelegt wird.

Und das ist noch nicht alles: In dem Gesetzentwurf soll klargestellt werden, dass Männer vom Frauensport ausgeschlossen sind. Was für ein Schlag für all die bekehrten Männer, die mit außergewöhnlicher Leichtigkeit Meisterschaften gegen biologische Frauen gewinnen!

"Kein ernst zu nehmendes Land sollte seinen Kindern sagen, dass sie mit dem falschen Geschlecht geboren wurden", so Trump abschließend. "Unter meiner Führung wird dieser Wahnsinn aufhören."

Die Reaktion der amerikanischen Mainstream-Medien auf das Video war vorhersehbar: The Hill schrieb, Trump habe "eine Reihe extremistischer politischer Vorschläge" gegen die Transgender-Identität vorgelegt. Besonders "extremistisch": ein Bundesgesetz, das nur zwei Geschlechter anerkennt. NBC News bezeichnete die Vorschläge als "einige der drakonischsten", die die Republikaner in den letzten Jahren vorgelegt haben. Eines der amerikanischen Sprachrohre für sexuelle Minderheiten, die Webseite Them, bezeichnete Trumps Forderungen als "entsetzlich in Theorie und Praxis".

Merkwürdigerweise vertrat Trump während seines ersten Wahlkampfs im Jahr 2016 eine ganz andere Haltung. Er sagte damals, dass er kein Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe sei und dass er als Präsident ein "wahrer Freund" der LGBT-Gemeinschaft sein würde. Die Freundschaft wurde jedoch nicht erwidert, und nun hat sich die innenpolitische Agenda verändert. Die ideologische Kluft zwischen den republikanischen Wählern und den Wählern der Demokraten vergrößert sich, wobei die sexuellen Minderheiten fest auf der "linken" Seite dieses tiefen Grabens verankert sind.

Wer wird zum republikanischen Tribun, dem Verteidiger der Jugend?

Der Kampf um die Seelen der jungen Amerikaner wird für die republikanischen Wähler immer wichtiger. Es ist kein Zufall, dass der populärste Politiker der Republikaner, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, sich seit Jahren gegen die Transgender-Propaganda einsetzt. Im Frühjahr 2022 unterzeichnete er ein Gesetz, das den Unterricht über sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentität an öffentlichen Schulen verbietet. Schon früher, im Jahr 2021, verbot DeSantis Transgender-Athleten die Teilnahme an Wettkämpfen in seinem Bundesstaat und weigerte sich kürzlich, die Transgender-Schwimmerin Leah Thomas als NCAA-Frauenmeisterin anzuerkennen. Stattdessen gratulierte er der durch Thomas geschlagenen Schwimmerin Emma Weyant öffentlich zum Sieg. All dies verschaffte dem Gouverneur zusätzliche Pluspunkte in den Augen der republikanischen Wähler, was Trump beunruhigen dürfte.

Schließlich wird der Gouverneur von Florida von zahlreichen Gegnern des Ex-Präsidenten schon jetzt als Spitzenkandidat der Republikanischen Partei für die Wahl 2024 bezeichnet, obwohl er seinen Eintritt in das Rennen noch nicht einmal angekündigt hat.

Es gibt jedoch kaum Zweifel daran, dass der junge und energische DeSantis, dessen Stern am Himmel der amerikanischen Politik immer heller strahlt, es wagen wird, Trump herauszufordern. Ohne darauf zu warten, startete der ehemalige Präsident selbst den Kampf gegen den Gouverneur, indem er ihn als (unechten) "Republikaner nur dem Namen nach" bezeichnete und behauptete, Florida habe in der Coronavirus-Pandemie "sogar seine Strände voreilig geschlossen". Dies und die Kritik an COVID-Maßnahmen klingt indes aus Trumps Mund nicht sehr überzeugend. Schließlich erinnern sich viele daran, dass das universelle Impfprogramm noch in den letzten Monaten seiner Präsidentschaft entwickelt wurde.

Deshalb stürmt Trump, der über bemerkenswerte politische Instinkte verfügt, nach vorn und entreißt dem Gouverneur von Florida das Banner des Kampfes gegen "progressive" Gendertheorien. Jetzt ist er der Retter der amerikanischen Jugend von der bösartigen Ideologie des "Wokismus".

Übersetzt aus dem Russischen.

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