Meinung

Geschichtsvergessen und überheblich: Baerbock und die vergessene Apartheid

Jetzt ist auch Südafrika zum Ziel Baerbockscher Belehrungen geworden, nachdem der dortige US-Botschafter die Behauptung aufgestellt hatte, Südafrika liefere Waffen nach Russland. Hätte sie Ahnung von jüngerer Geschichte, sie würde solche "Kritik" unterlassen.
Geschichtsvergessen und überheblich: Baerbock und die vergessene Apartheid© Solar782, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Von Dagmar Henn

Ja, wenn Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zumindest fragmentarische Geschichtskenntnisse besäße – deren Fehlen sie vor wenigen Tagen erst anlässlich des Tags der Befreiung gezeigt hat –, dann hätte sie sich ihre Bemerkungen zu vermeintlichen Waffenlieferungen aus Südafrika ebenso geschenkt wie die meisten ihrer sonstigen Aussagen. "Ich bin sehr besorgt", tönte sie, und man nehme das "sehr, sehr ernst".

Mal abgesehen davon, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass Russland auf Waffenlieferungen aus Südafrika angewiesen ist – selbst wenn, wäre es das gute Recht Südafrikas. Und egal, welche Meinung die deutsche Außenministersimulation dazu hätte, es sollte ihr klar sein, dass sie zu dem Thema am besten völlig die Klappe halten sollte.

Es gab nämlich noch andere Waffenlieferungen, früher. Aus Deutschland. Genauer, aus der Bundesrepublik. An das Apartheidsregime in Südafrika, das über Jahre hinweg seine Nachbarländer Mosambik und Angola mit Terror überzog, auch mit deutschen Waffen. Ein Regime, durch das eine kleine Schicht weißer Bevölkerung über eine schwarze Bevölkerungsmehrheit von 90 Prozent entschied, der alle demokratischen Rechte abgesprochen waren. Es waren die Staaten des Westens, die am längsten an diesem Regime festhielten. So gerne man heute auf Mandela als Helden verweist, der Westen stand fest an der Seite seiner Peiniger; bis endlich, nach Jahrzehnten, der öffentliche Protest auch im Westen so stark war, dass das Apartheidsregime nicht mehr zu halten war.

Für die internationalen Konzerne, die in Südafrika investiert hatten, war die Apartheid ausgesprochen nützlich – die überwiegend schwarzen Arbeiter hatten, da auch sonst keine demokratischen Rechte, auch kein Recht, sich zu organisieren. Die Auflösung von Streiks und Demonstrationen durch den Einsatz von Schusswaffen war an der Tagesordnung.

Die schwarzen Südafrikaner wissen das selbstverständlich bis heute genau; so wie sie wissen, dass Kuba und Russland ihre Befreiungsbewegung unterstützten. Auch die USA waren Freunde der Apartheid, weshalb übrigens die Tatsache, dass ausgerechnet der US-Botschafter mit diesen Vorwürfen anfing, mit Sicherheit auf ebensolche Begeisterung stoßen wird, wie die Äußerungen der deutschen Außenministerin.

Andererseits ist solches Verhalten eigentlich ganz nützlich. Jeder derartige Satz erinnert die Länder des Südens an die alten, immer noch offenen Rechnungen, die sie alle auf die eine oder andere Weise mit dem Westen haben; in Südafrika sind sie nur besonders hoch und besonders frisch. Und jede Erinnerung an diese Rechnungen hat derzeit die gleiche Folge: die Länder entscheiden sich, genau das nicht zu tun, was der Westen von ihnen erwartet. Woraufhin der Westen fordert. Und zuletzt droht.

Dass Baerbock dann noch betonte, wer Waffen an Russland liefere, verlängere einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, erinnert in Südafrika mit Sicherheit auch noch daran, dass die regelmäßigen Überfälle südafrikanischer Truppen mit vom Westen gelieferten Waffen völkerrechtswidrig waren. Solche Überfälle wurden unter anderem dazu genutzt, um Funktionäre der heutigen Regierungspartei ANC, die in den Nachbarländern im Exil lebten, zu ermorden. Man könnte also ganz entspannt sagen, Südafrika hat in der Hinsicht noch einiges gut.

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